Frühjahrsputz in Meitzendorf – von Sebastian Pötzsch

MEITZENDORF. Im Freibad „Carl Miller“ in Magdeburg laufen die Vorbereitungen auf die anstehende Sommersaison auf vollen Touren. Wie in jedem Frühjahr muss das Schwimmbecken aus Beton mit frischer Spezialfarbe versehen werden. Diese Aufgabe haben Mahir Arnautovicz und sein Kollege von der Malerfirma temps übernommen.  „Die Arbeit ist nicht ganz einfach“, sagt Mahir Arnautovicz. Der Beton müsse ständig gereinigt werden. „Ist der Boden einmal sauber, verdreckt er wieder ziemlich schnell. Außerdem bilden sich immer wieder Pfützen“, erzählt der 22-Jährige. Erst, wenn der Untergrund völlig sauber ist, kann die blaue Schwimmbeckenfarbe aufgetragen werden. Der Weg ist das Ziel. Dass Mahir Arnautovicz eine feste Arbeit hat, ist nicht selbstverständlich. Vor etwa zehn Jahren kam er als Kind mit seinen Eltern aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland.

In Magdeburg zum Realschulabschluss

In Magdeburg besuchte er die Schule und machte hier seinen Realschulabschluss. Dann ging es an die Suche nach einem Ausbildungsplatz. Für Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind, ist das gar nicht so einfach, schließlich braucht es ohne die deutsche Staatsbürgerschaft erst eine Arbeitserlaubnis. „Ich halte Glück“, erzählt der Maler heule. So habe er in der Schule gute Leistungen gezeigt, schnell die deutsche Sprache erlernt und sogar mehrere Fremdsprachenkurse belegt. „Dennoch war der Anfang schwierig“, erzählt der junge Mann weiter und ergänzt: „Ohne meinen Willen und die Hilfe eines Lehrers wäre der Einstieg in den Arbeitsalltag beschwerlich gewesen.“ Der Lehrer von Mahir Arnautovicz hatte den Flüchtling nämlich Claus Rieckmann vorgestellt. Der wiederum ist geschäftsführender Gesellschafter der temps-Niederlassung Magdeburg in Meitzendorf. Dank des Unternehmenschefs blieben dem jungen Mann wohl etliche Besuche – beispielsweise bei der zuständigen Ausländerbehörde – erspart. Für Claus Rieckmann ist der Fall um seinen Schützling mehr Selbstverständlichkeit als Ausnahme. Denn sein Engagement für Migranten und Flüchtlinge gehört quasi zur DNA des deutschlandweit tätigen Maler-Unternehmens.

Back to the roots

Begonnen hatte die Erfolgsgeschichte im Jahr 1952. Zuvor war Unternehmensgründer Fritz Temps aus seiner Heimat Gardelegen – hier hatte sein Vater bereits einen Malerbetrieb gegründet – ins niedersächsische Neustadt am Rübenberge gezogen und hatte hier seine eigene Firma gegründet. Es folgten Übernahmen beispielsweise in Hamburg. Im Jahr 1991 kehrte Temps zu seinen Wurzeln zurück und gründete die Magdeburger Niederlassung zunächst in Dahlenwarsleben. Später folgte der Umzug nach Meitzendorf. Heute ist temps eigenen Angaben zufolge „eine feste Größe in der Region und in ganz Sachsen-Anhalt“. Bundesweit gehören dem Unternehmen etwa 530 Mitarbeiter an. „Doch der demografische Wandel macht auch vor uns nicht halt. Es wird immer schwieriger, junge Mitarbeiter zu finden“, sagt Claus Rieckmann. Somit hat auch die Malerfirma temps mit Fachkräftemangel zu kämpfen und muss nach Wegen suchen, dem entgegenzuwirken.

Ausbildung bei temps

Doch ist es nicht nur der Fachkräftemangel, der temps zum Handeln zwingt. „Uns ist es egal, ob die Leute einen Fluchthintergrund haben oder in Deutschland geboren wurden. Wir sagen: Jeder, der Engagement zeigt, soll die Chance bekommen.“ Somit ist das Engagement des Unternehmens „ein gesunder Mix aus dem Kampf gegen Fachkräftemangel und Willkommenskultur“, hebt der Chef hervor. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen, „in denen Menschen mit Migrationshintergrund nicht einmal zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden, geben wir jedem die Chance.“ Jeder kann sich also bei temps vorstellen. Etwa 95 Prozent schaffen es zunächst ins Unternehmen, zum Beispiel für Praktika. „Viele bleiben“, sagt Claus Rieckmann. „Die fühlen sich bei uns willkommen. Somit ist eine ganz andere Bindung da. Ich erhoffe mir dadurch, dass wir adäquaten Ersatz zu denen, die aus Altersgründen das Unternehmen verlassen, finden können.“ Die Leute dann auch zu halten, funktioniere nur über die persönliche Bindung. Am Standort sind aktuell 46 Mitarbeiter beschäftigt, davon haben sechs einen Migrationshintergrund. Ein Kollege stamme aus Afghanistan, ein weiterer aus Somalia, einer aus Polen sowie Mahir Arnautovicz aus Bosnien-Herzegowina und eine Kollegin ist vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. Außerdem seien zwei Ausbildungsverträge mit zwei jungen Leuten aus Afrika geschlossen worden.

Bürokratie ohne Ende

Doch bis ein Geflüchteter mit seiner Ausbildung oder gar mit der Aufnahme seiner Arbeit beginnen kann, sind etliche Hürden zu nehmen, weiß Claus Rieckmann. Zunächst gehe es um die Feststellung des aktuellen Aufenthaltstitels des Betreffenden. Damit verbunden ist auch die Arbeitserlaubnis, die oftmals noch gar nicht vorliegt. Die Klärung liegt bei der Ausländerbehörde. „Wenn keine Arbeitserlaubnis vorliegt, dürfen die betreffenden Menschen nicht einmal ein Praktikum bei uns machen“, kritisiert der Geschäftsführer. Dann beginnt ein bürokratischer Kampf. Es folgt Schreiben auf Schreiben, um dem Amt zu erklären, dass die betreffende Person bei temps ein Praktikum oder gar eine Ausbildung beginnen kann. „Das ist ein ständiges Hin und Her und es sind viele, viele Telefonate nötig“, sagt Claus Rieckmann. Bei all den Hilfestellungen, die temps seinen einst geflüchteten Mitarbeitern bietet, profitiert die Firma von ihrer Mitgliedschaft im „Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge (NUif). „Unser Geschäftsführer aller Standorte, also Ulrich Temps, engagiert sich ganz stark in dem Netzwerk“, sagt der Magdeburger Standortleiter. Alle hier organisierten Unternehmen eine schließlich die gleichen Probleme, was den Fachkräftemangel oder die Hürden bei der Integration von Migranten in die eigene Firma betrifft.

Sprache als Barriere

Das Nuif ist eine Initiative der Deutschen Industrie- und Handelskammer, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Netzwerk soll also deutsche Unternehmen bei der Bewältigung von Hürden bei der erfolgreichen Integration von ge0üchteten Menschen in Ausbildung und Beschäftigung unterstützen. Die etwa 4.000 Mitglieder profitierten von kostenlosen Webinaren, praxisnahen Informationen, Checklisten und Erfahrungsaustauschen mit anderen Unternehmen. Zudem biete das Netzwerk regelmäßige Updates zu rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Möglichkeit, das eigene Engagement sichtbar zu machen. „Es gibt auch ganz viele Verbindungen mit der Politik, damit wir Sprachrohr werden können“, sagt Claus Rieckmann. Dennoch will der Chef Probleme nicht verhehlen. Oft gebe es vor allem sprachliche Probleme. „Da bin ich ganz ehrlich: Nicht jeder deutsche Kollege kommt damit gut klar.“ Doch die Erfahrung zeige: Deutsch als Sprache lässt sich besser bei der praktischen Arbeit erlernen als auf einer Schulbank. Für Mahir Arnautovicz stellte die Sprache kein Hindernis dar. Deutsch hatte er ja während seiner Schulzeit gelernt. Heule ist er ein fester Bestandteil des Teams und dankbar dafür. Die Firma temps hat sich richtig gut für mich eingesetzt. Ich fühle mich zuhause bei dem Unternehmen“, resümiert er.

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